Aufstieg und Fall einer zionistischen Zeitung:
Die Jüdische Welt-Rundschau
Von Thomas von der Osten-Sacken
Zionistische Zeitungen in Deutschland erfüllten nach
der Machtübergabe an die Nationalsozialisten 1933 unterschiedliche
Funktionen
(1). Anders als die Presse der "assimilierten Juden"
gruppierten sie sich zunehmend um Palästina als wichtigstes
Einwanderungsland, Zentrum eines neuen nationalen Judentums und
psychologischem Stabilisator. Darstellungen des "neuen jüdischen Menschen"
in Palästina, ideal verkörpert im Chaluzim, dem zionistischen Bauern, und
Beschreibungen des jüdischen Lebens in "Eretz Israel" waren auch immer,
selbst wenn dies nicht explizit gesagt wurde, eine Form des Widerstandes
gegen das von den Nationalsozialisten kolportierte antisemitische Bild des
parasitären Juden. Je weniger die zionistische Presse aus Deutschland
berichten durfte – im Laufe der dreißiger Jahre nahm die Nachzensur an Härte
zu – je mehr konzentrierte sie sich auf Palästina und später andere
Einwanderungsländer. In einer Zeit, in der sich in Europa eine Tendenz zur
Nationalisierung der Berichterstattung vollzog, wurde so ausgerechnet die
Presse der jüdischen Nationalisten, der Zionisten zunehmend kosmopolitischer
(2). Mit den Einwanderern in Palästina, aber auch den
anderen Emigranten bildete sich zudem eine neue Leserschaft heraus, die oft
mit der alten "Heimat" – Deutschland – und der neuen – Palästina - nur noch
verbunden war durch die ihnen zugesandten jüdischen Zeitungen.
Sowohl im Exil, wie später auch in Palästina knüpften
verschiedene neu gegründete zionistische Zeitschriften an diese Funktionen
an und entwickelten sie fort. Eine der interessantesten Zeitungen, die
zugleich unmittelbar die Tradition der bekanntesten deutsch-zionistischen
"Jüdischen Rundschau" fortführte, war die "Jüdische Welt-Rundschau", deren
Entstehung und Funktion im Folgenden vorgestellt werden soll.
Am 7. März 1939 erschien die erste Ausgabe "Jüdischen
Welt-Rundschau" (JWR), einer zionistischen Wochenzeitung, die in Jerusalem
produziert, in Paris gedruckt und von dort aus in über 60 Länder der Welt
vertrieben wurde. Idee und Umsetzung der JWR stellte eine unmittelbare
Reaktion der nach Palästina emigrierten deutschen Zionisten auf das Verbot
der jüdischen Presse im deutschen Reich 1938 dar. Die JWR knüpfte sowohl
personell als auch inhaltlich an ihre Vorgängerin, die in Berlin
herausgegebene zionistische "Jüdische Rundschau" an, herausgegeben wurde sie
von ehemaligen Mitarbeitern der "Zionistischen Vereinigung für Deutschland"
und ehemaligen Redakteuren der "Jüdischen Rundschau".
Die JWR, die für fast ein Jahr in einer Zeit, in der
Zionisten in Deutschland sich nicht mehr öffentlich äußern konnten, zum
Sprachrohr deutschen Zionismus wurde, ist wohl eine der interessantesten
deutsch-jüdischen Publikationen aus den dreißiger Jahren. Sie war
Fortführung der "Jüdischen Rundschau" von Palästina aus, also gewissermaßen
eine deutsch-zionistische Publikation, eine Exilzeitung, und, da sie in
Palästina konzipiert und ebenfalls für dortige Leser geschrieben wurde, auch
palästinensische Lokalzeitung. Sie ist in einem "Dazwischen" angesiedelt,
ein Provisorium, nicht mehr in Deutschland, noch nicht in Palästina,
bestimmt für Leser im Exil (3). Diese aus der Not der
Stunde entwickelte Programmatik der JWR stellte eine Antwort dar auf die
historisch unvergleichbare Lage der Juden aus Deutschland und den von den
Nazis annektierten Gebieten. "Die 'Jüdische Welt-Rundschau' ist", hieß es
deshalb auch in einer der ersten Ausgaben "ein Unternehmen eigener Art, wie
es noch niemals in unserer modernen Geschichte dagewesen ist".(4)
Nach der Reichspogromacht 1938 hatten die deutschen Juden
und damit auch die Zionisten endgültig den Ausgangsort ihrer bisherigen
Aktivitäten, Deutschland verloren. Mit Herausgabe der JWR wurde der bislang
wohl einmalige Versuch unternommen eine Zeitung zu einem neuen Mittelpunkt
jüdisch-zionistischer Existenz zu machen, die nur noch ideell, nicht mehr
geographisch mit einem Land in Verbindung stand:
"Die 'Jüdische Welt-Rundschau' will die grosse und
ehrenvolle Tradition, die in deutscher Sprache jüdische Zeitungen wie die
'Welt' und die 'Jüdische Rundschau' geschaffen haben, wieder aufnehmen. (…)
Nachdem das jüdische Zentrum in Deutschland verschwunden ist und von dort
aus keine jüdische Zeitung die verbindende Funktion zwischen den
deutschsprechenden Juden wieder aufnehmen kann, nimmt die 'Jüdische
Welt-Rundschau' diese Aufgabe auf sich. Welcher Punkt der Welt könnte für
eine solche Aufgabe der Ausgangspunkt sein? Wir wollen nicht ein Judentum
vertreten, das aus 'Emigranten' besteht, sondern Juden, die wissen, wo ihr
Zentrum liegt. Die 'Jüdische Welt-Rundschau' geht von Palästina aus. Schon
dies ist ein Symbol. (…) Palästina und Diaspora sind zwei Tatsachen des
jüdischen Lebens unserer Zeit. Die 'Jüdische Welt-Rundschau' wird über
beides berichten, über Palästina und die Länder der Zerstreuung. (…) Die
'Jüdische Welt-Rundschau' will den Juden das Gefühl des Zusammenhanges geben
und ihnen ihre Sorgen tragen helfen. (…)
Die 'Jüdische Welt-Rundschau' spricht in erster Linie zu den Juden selbst,
aber sie wendet sich auch an die nichtjüdische Welt.
Sie will dazu beitragen, der Welt ein Bild des neuen jüdischen Menschen
unserer Zeit zu geben, des gequälten und gehetzten, aber auch des in Arbeit
und Kampf gestählten, inmitten eines turbulenten Schicksals seiner
Menschenwürde bewussten Juden. Sie tritt ein für Erez Israel, sie fordert
die Hilfe der zivilisierten Völker bei der Einordnung der Juden in der Welt
und bei der Heilung der Wunden der Katastrophe der letzten Jahre."(5)
Der Handlungsspielraum zionistischer Politik schien im
Herbst 1938 eingeschränkt wie nie zuvor. Indem sie die Flüchtlingskonferenz
von Evian scheitern ließen, hatten zuvor alle westlichen Länder ihrerseits
demonstriert, dass sie unwillens waren, den Juden aus dem Reich beistehen zu
wollen und zugleich (6). Vielmehr hatten im Laufe des
Jahres nahezu alle potentiellen Einwanderungsländer ihre Grenzen gegen
jüdische Flüchtlinge weiter abgeschottet. Im Frühjahr 1939 stoppte
Großbritannien dann de facto die jüdische Einwanderung nach Palästina und
gab bekannt, es wünsche nicht, "dass eine vermischte Schar von Juden in
irgendeinen anderen Teil des Empire hineingelassen" werde (7).
Bis zum Herbst 1938 hatten noch viele Juden gehofft, dass
entweder eine Ghettoexistenz unter nationalsozialistischer Herrschaft
möglich sei oder zumindest die Auswanderung der verbliebenen Juden aus dem
Reich in einer Frist von bis zu zehn Jahren möglich wäre. Das staatlich
organisierte Novemberpogrom demonstrierte ihnen auf brutale Weise, dass ein
neues, auf Vertreibung und Vernichtung ausgerichtetes Kapitel der
nationalsozialistischen Judenpolitik begonnen hatte.
Ohnmächtig und verzweifelt verfolgten die aus Deutschland
nach Palästina emigrierten Zionisten eine Entwicklung, die sie nicht
aufhalten, ja nicht einmal beeinflussen konnten. Widerstand schien zwecklos,
nachhaltige Handlungsoptionen, um den verbliebenen Juden in Deutschland zu
helfen, gab es keine. Seit nunmehr sechs Jahren mussten sie mehr oder
weniger hilflos zusehen, wie die Nationalsozialisten von einem Sieg zum
nächsten schritten.
Eine in Palästina herausgegebene Zeitung wie die "Jüdische
Welt-Rundschau" sollte weit mehr als nur von der Katastrophe der deutschen
Juden Zeugnis ablegen. Sie sollte vielmehr, in Anlehnung an die Tradition
zionistischer Presse - etwa mit der Artikelserie "Tragt ihn mit Stolz den
gelben Fleck" von Robert Weltsch (8)- von einem neuen
jüdischen Selbstbewusstsein sprechen in einer Zeit, in der Juden "in einem
bisher unvorstellbaren Ausmaß zu einem bloßen wehrlosen Objekt der Politik"
degradiert worden waren (9).
Hierin, nicht nur im Namen, lag der Anknüpfungspunkt der
JWR an die "Jüdische Rundschau" und die Tradition zionistischer Publizistik.
Diese zugleich größte und bedeutendste zionistische Zeitung in Deutschland,
war, bis zu ihrem Verbot 1938, weit mehr als nur eine Zeitung im
herkömmlichen Sinne: sie repräsentierte den Zionismus nach außen, auf ihren
Seiten wurden bedeutende Debatten über Funktion und Aufgabe zionistischer
Politik und Theorie geführt und sie half die Auswanderung zu organisieren.
Ihr regelmäßiges Erscheinen stabilisierte und stärkte, ebenso wie die
couragierten Leitartikel, die jüdische Leserschaft in ihrer erniedrigten und
bedrängten Existenz und demonstrierte so, dass Zionisten "auch dann noch das
Bewußtsein eines handelnden Subjekts besaßen, wenn ihre politische Ohnmacht
vor aller Augen, auch vor ihren eigenen, völlig klar zutagegetreten war."
(10)
Das Verbot der deutsch-jüdischen Presse durch die
Nationalsozialisten, welches zusammen mit anderen Maßnahmen das Ende
jüdischen Lebens in Deutschland einleitete, zielte so auch bewusst darauf,
den Juden diese letzte verbliebene Äußerungsform zu nehmen, sie endgültig zu
"Objekten und Erduldenden" (11) zu degradieren. Zuvor
schon galt, dass "wenn man vom Leben der Juden in Deutschland spricht, (…)
man nicht vergessen darf, dass dies Wort einen besonderen Klang hat. Man
kann dies eigentlich nicht Leben nennen, sondern höchstens ein Dasein von
einer Gruppe von Menschen, die entrechtet ist auf jedem Gebiet, nicht
geduldet wird, deren tägliche Existenz von Minute zu Minute schwerer wird."
(12) Schon der Anblick von österreichischen Juden, die
nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 gezwungen wurden, mit Zahnbürsten das
Straßenpflaster zu reinigen, hatte endgültig jede Hoffnung auf eine "Lösung
der Judenfrage" im Sinne des Zionismus – also eine geregelte Auswanderung
nach Palästina - zerstört. Nach dem Novemberpogrom 1938 dann blieb den
wenigen verbleibenden zionistischen Funktionären in Deutschland wenig mehr,
als sich unter enormem Druck zu bemühen, so viele Juden wie möglich außer
Landes zu bringen.
Nun aber war klar geworden, dass jüdisches Leben und
jüdische Politik nur noch außerhalb des Deutschen Reichs möglich waren, dass
"unter furchtbaren Leiden, im Fackelscheine brennender Heiligtümer, eine
jüdische Epoche zu Ende" gegangen war (13).
Entsprechend hieß es dann im ersten Editorial der
"Jüdischen Welt-Rundschau":
"Unser erster Gedanke gilt in dieser Stunde den Brüdern in Deutschland.
Wir alle, die aus Deutschland (einschliesslich Österreich, Sudetenland usw.)
ausgewandert sind, haben einen Teil der jüdischen Tragödie miterlebt. (…)
Weit sind wir jedenfalls schon entfernt von jenen Zeiten, als die ersten
Eingriffe in die bürgerliche und rechtliche Existenz der Juden fassungsloses
Erstaunen und tiefe seelische Erschütterung hervorriefen bei den
Hunderttausenden, für die dieser Schlag völlig überraschend kam. (...) Die
heutige Politik wurde von einem Sprachrohr der herrschenden Partei kürzlich
dahin charakterisiert, aus den Juden einen Haufen verzweifelter, völlig
entrechteter und enteigneter, daher verzweifelter und antisozialer Menschen
zu machen, denen gegenüber der Staat (der sie selbst auf diese Stufe
herabgezwungen hat!) eine scheinbare Berechtigung zu gewalttätigem
Einschreiten hätte. Soweit es an den deutschen Juden liegt, wird dieser
Zustand nicht herbeigeführt werden." (14)
Die Vor- und Entstehungsgeschichte der JWR
Wie bereits in der ersten Ausgabe eindringlich formuliert,
verfolgten die Herausgeber mit ihrer "Jüdischen Welt-Rundschau"
unterschiedliche Ziele, die vorher von der "Jüdischen Rundschau" und anderen
in Deutschland erschienenen zionistischen Zeitungen übernommen wurden. Deren
Verlust galt es zu ersetzen und gleichzeitig die Rolle des Zionismus und
Palästinas für alle deutschen Juden zu stärken. Denn neben der Aufgabe, den
Juden in Deutschland beizustehen, erfüllte die zionistische Presse nach 1933
zunehmend auch die Funktion, die verstreute "neue Diaspora" der emigrierten
deutschen Juden mit Informationen, Analyse und Propaganda zu versorgen und
so ideologisch an den Aufbau Palästinas zu binden. Entsprechend betraf das
Verbot der unabhängigen jüdischen Zeitungen nicht nur die verbliebenen
jüdischen Leser innerhalb Deutschlands, sondern auch die jüdischen
Emigranten und Flüchtlinge im Ausland.
In Palästina, in das im Laufe der dreißiger Jahre über 60
000 deutschsprachige Juden eingewandert waren, spielte die jüdische Presse
aus Deutschland - vor allem die Jüdische Rundschau – ebenfalls eine zentrale
Rolle. Denn alle Versuche, dort eigene zionistische Tages- bzw.
Wochenzeitungen in deutscher Sprache zu gründen, waren in den Jahren zuvor
am Widerstand der jüdischen Gemeinschaft, dem Jischuw, gescheitert, - mit
oft militanten Mitteln wurde dort am Hebräischen als einziger schriftlich
verbindlicher Schriftsprache festgehalten.
Einige Zionisten aus Deutschland, unter ihnen Erich
Gottgetreu (15), hatten schon 1935 versucht, eine
deutsch-zionistische Zeitschrift namens "Orient Express" zu gründen. Diese
Beilage der in Beirut erscheinenden Zeitung "L’Orient" musste allerdings
nach wenigen Monaten wieder eingestellt werden, da sie auf einhellige und
empörte Ablehnung aller zionistischen Institutionen und der hebräischen
Presse in Palästina stieß. Selbst die deutsch-jüdischen Organisationen in
Palästina hatten sich von diesem Projekt öffentlich distanziert
(16). So waren die des Hebräischen unkundigen deutschen
Juden, wohl die Mehrheit der damaligen Neueinwanderer, auf ausländische
Publikationen angewiesen oder konnten bestenfalls auf hektographierte
Nachrichtenblätter wie etwa "Blumenthals Neueste Nachrichten" oder "Presse
Echo" zurückgreifen, die seit 1937 vornehmlich Meldungen aus der hebräischen
und englischen Presse übersetzten. Einzige Ausnahme war das
"Mitteilungsblatt der Hitachduth Olej Germania" (MB): Die "Hitachduth Olej
Germania" (HOG), 1932 von aktiven Zionisten der ZVfD als
Interessensvertretung der deutschen Juden in Palästina gegründet,
entwickelte sich im Laufe der dreißiger Jahre zu einer bedeutenden
Institution im Jishuw. Die HOG, die sich nach der Annexion Österreichs
"Hitachduth Olej Germania we Austria" (HOGOA) nannte, gab alle zwei Wochen
ein "Mitteilungsblatt" als Vereinszirkular für Abonnenten heraus, das neben
Eingliederungshilfen und Tipps zum alltäglichen Leben in Palästina auch
Hintergrundartikel und Analysen zur Lage in Palästina und der Diaspora
enthielt. Trotz zunehmender Professionalisierung konnte dieses
Mitteilungsblatt allerdings weder eine Tages- noch eine Wochenzeitung
ersetzen, auch wenn es mit einer Auflage von 3500 Stück (17)
für viele Neueinwanderer aus Deutschland eine wichtige Verbindung zum
politischen Leben in Palästina darstellte.
Frühe Planungen
Trotz aller Rückschläge ließen die deutschen Zionisten in
Palästina den Gedanken an eine eigene Zeitung nie ganz fallen. Auch die
Redaktion der "Jüdischen Rundschau" plante – unter anderem mit Blick auf den
lukrativen Anzeigenmarkt in Palästina (18)- ab 1937 eine
eigene, von der deutschen Ausgabe unabhängige, Palästina-Beilage in
Jerusalem drucken zu lassen. Offenbar hatte sogar die deutsche
Reichsregierung Mitte 1938 ihr Einverständnis für ein derartiges Projekt
signalisiert (19). Ebenfalls im August 1938 hatte der
zionistische Aktivist Bruno Kirschner (20) in einem
Memorandum an Robert Weltsch, den langjährigen Herausgeber der "Jüdischen
Rundschau" die Idee einer deutschsprachigen Tageszeitung in Palästina
entwickelt, die er als Beilage der Haaretz herausgeben wollte
(21). Als Robert Weltsch, der in den dreißiger Jahren
zur einer Symbolfigur zionistischer Publizistik geworden war, im September
1938 nach Palästina übersiedelte, schien ein derartiges Projekt auch
personell verwirklichbar zu sein.
Zudem gab es nach den Verboten der deutschjüdischen
Presse, außer in der Schweiz, auf dem europäischen Kontinent keine
deutschsprachigen zionistischen Zeitungen mehr. Eine wichtige Verbindung
zwischen den verschiedenen Teilen der deutschen Juden, die sich zunehmend um
die Idee des Aufbaues einer nationalen Heimstätte in Palästina gruppiert
hatten, war damit zerstört worden. Denn nicht nur für die in Deutschland
verbliebenen Juden, sondern für den überwiegenden Teil aller Emigranten,
gleichgültig ob mit zionistischer Orientierung oder ohne, galt, was Erich
Liepmann, ehemaliger Direktor der Jüdischen Rundschau, über die
psychologische Bedeutung Palästinas 1939 notierte: "Der Gedanke an den
Aufbau Erez Israels (ist es), der das düstere Leben der Juden in Deutschland
mit etwas Licht und Hoffnung erfüllt. Da es heute in Deutschland fast keine
jüdische Familie gibt, die nicht Kinder oder Verwandte in Palästina hat, da
ausserdem die Entwicklung in Deutschland der zionistischen Idee rechtgegeben
hat, ist der Aufbaugedanke Erez Israels in den letzten sieben Jahren
Allgemeingut der deutschen Juden geworden, und er ist jetzt der Ausblick,
die stille Hoffnung und der grosse Glaube des Judentums in Deutschland."
(22)
Wie unzählige Leserbriefe und Zuschriften aus dem Ausland
an die Redaktion der JR belegen, stiftete die zionistische Presse auf diese
Weise einen grenzüberschreitenden Zusammenhalt der deutschen Juden. Deshalb
mehrten sich nach dem Verbot der "Jüdischen Rundschau" die Rufe nach "einer
zionistischen Zeitung in deutscher Sprache unter den Juden Palästinas und
auch unter den deutschsprechenden Juden anderer Länder" (23).
Mit dem Verbot der Jüdischen Rundschau hatten die
deutschen Zionisten zudem ein wichtiges politisches Organ auch in Palästina
verloren, das sie zuvor in ihren Aktivitäten innerhalb des Landes
unterstützt hatte. Seit Mitte der dreißiger Jahre versuchten Einwanderer aus
Deutschland nämlich politisch an Einfluss innerhalb des Jischuw zu gewinnen.
1938 hatte sich aus diesem Grunde die Partei "Achduth Haam" (Stimme des
Volkes) um den bekannten Zionisten Gustav Krojanker in Palästina
konstituiert, die sich als Vertretung der liberalen jüdischen Einwanderer
aus Mitteleuropa zu profilieren versuchte. Ziel und Programmatik dieser
Partei war es, zwischen der ostjüdischen sozialistisch geprägten Mehrheit
und der revisionistischen Minderheit des Jischuw eine dritte, gemäßigt
liberale Kraft zu etablieren.
Das Anliegen von Achduth Haam entsprach in etwa der
bisherigen Programmatik des "deutschen Zionismus": Aussöhnung mit den
Arabern und Briten, keine Radikalisierung des Jischuw, die Verfechtung eines
"dritten Weges", der sich gegen sozialistische Planwirtschaft ebenso
richtete, wie gegen die als Faschisten bezeichneten Revisionisten um
Vladimir Jabotinsky, die schon in Deutschland die innerjüdischen Hauptgegner
des "deutschen Zionismus" ausmachten. Zudem sah Achduth Haam, wie die
Mehrheit der politisch aktiven Einwanderer aus Deutschland und anders als
der offizielle Jischuw, die "kritische Situation des deutschen Judentums als
die vorrangigste Herausforderung sowohl für den Zionismus als auch für das
Weltjudentum überhaupt." (24) Ihr erklärtes Ziel, das
von der JWR übernommen wurde, war die Betreuung der Juden in der Diaspora
von Palästina aus, interne palästinensische Auseinandersetzungen traten
dagegen eher in den Hintergrund, während die Programmatik anderer
palästinensischer Parteien von innenpolitischen Fragen dominiert wurde. Der
Jischuw sei, bemerkte etwa Georg Landauer, langjähriger Aktivist der ZVfD,
zwar geschockt von den Ereignissen in Deutschland, aber "sehr stark auf die
hiesigen Probleme konzentriert, auf das politische Schicksal Palästinas, die
jüdische Einwanderung, die Sicherheitsfragen. Die Presse reagiert sehr
scharf, aber eine große Bewegung im Publikum ist nicht festzustellen."
(25)
Die ambitionierten Planungen für das Projekt einer
"Jüdischen Welt-Rundschau" sollten auch diese innenpolitische Fixierung
palästinensischer Politik aufbrechen und das Schicksal der von den
Nationalsozialisten verfolgten Juden in das Blickfeld zionistischer
Aktivitäten rücken. Nahezu alle nach Palästina eingewanderten ehemaligen
Mitglieder der Zionistischen Vereinigung für Deutschland beteiligten sich an
der Planung und gründeten eine "Freundeskreis der Jüdischen Welt-Rundschau",
der sich eng mit den verschiedenen zionistischen Institutionen absprach.
Diese stimmten dem Projekt unter der Bedingung zu, dass die neue Zeitung nur
für das Ausland bestimmt sei und sich nicht zu einer deutschen Zeitung in
Palästina entwickle (26). Trotzdem strebte die HOGOA an,
die neue Zeitung mit den Mitteilungsblättern zu verbinden, um so auch das
deutschsprachige Publikum in Palästina zu erreichen, um "den Zehntausenden,
die ohne Vorbereitung, von den tragischen Umständen der Zeit getrieben ins
Land gekommen sind, die Kenntnis jüdischen Lebens und zionistischen Denkens
zu vermitteln und sie erst dadurch dem lande wahrhaft zu verwurzeln."
(27)
Deshalb entschied man sich den bisherigen Charakter der MB
aufzugeben und die neue Zeitung " in 2 Ausgaben mit verschiedenem Kopf
heraus(zu)bringen, und zwar die lokale Ausgabe unter dem Kopf
'Mitteilungsblatt der HOG' (…) und die Auslandsausgabe als 'JWR'".
(28)
Personell bestanden ohnehin enge Verbindungen zwischen
HOGOA, Achduth Haam und "Freundeskreis", die sich alle aus ehemaligen
Aktivisten der "Zionistischen Vereinigung für Deutschland" zusammensetzten,
welche seit Jahren versuchten in Palästina an ihre erfolgreiche Tätigkeit in
Deutschland anzuknüpfen. Von einer eigenen Zeitung versprachen sie sich so
eine weitere Stärkung ihrer Position und die Fortführung ihrer bisherigen
Aktivitäten von Palästina aus:
"Die Zeitung soll, ausgehend von den bisherigen
Auslands-Abonnenten der Jüdischen Rundschau in 64 nichtdeutschen Ländern,
den Versuch zu machen, das zentrale Organ der über die Welt verstreuten
deutschsprechenden Judenheit zu werden. (...) Es ist von größter
Wichtigkeit, ein fait accompli zu schaffen, damit die jüdische Weltzeitung
in deutscher Sprache (...) in zionistischer Hand bleibt."
(29)
Das Wissen, dass die Zeit drängte, da die Politik Hitlers
Europa und damit die europäischen Juden in eine Katastrophe stürzen würde,
ließ den "Freundeskreis" unter Hochdruck arbeiten, um die vielfältigen
finanziellen und organisatorischen Probleme zu bewältigen, die das Projekt
aufwarf. Zugleich fürchtete man, eine andere, politisch gegensätzlich
gesinnte, zionistische Gruppierung könnte der JWR mit einer eigenen auf die
deutschen Juden in der "neuen Diaspora" zugeschnittenen Zeitung zuvorkommen.
Schon hatte eine revisionistisch ausgerichtete Zeitung "Medina Iwrit" in
Prag ihren Lesern erklärt, fortan "das einzige jüdische Blatt der Welt in
deutscher Sprache" zu sein. (30)
Zionistische Welt-Zeitung oder Emigrantenblatt?
Den ursprünglichen Plan, am Namen der "Jüdischen
Rundschau" festzuhalten und diese fortan aus Palästina herauszugeben, ließ
man im Laufe des Winters 1938 fallen: "weil dadurch die noch in Deutschland
lebenden Mitarbeiter gefährdet werden könnten." (31)
Da offiziell die "Jüdische Rundschau" verboten worden war,
wurde befürchtet, dass die Nazis bei Missachtung ihres Verbotes mit harten
Kollektivstrafen gegen in Deutschland verbliebene Juden reagieren könnten
(32). Den deutschen Behörden sollte vielmehr der
eigenständige Charakter der JWR deutlich gemacht werden.
Die einzunehmende Haltung der JWR gegenüber den deutschen
Behörden und dem nationalsozialistischen Staat mit seiner antisemitischen
Ideologie wurde lange und kontrovers diskutiert. Zwar sah man sich in der
Pflicht, die deutsche Judenpolitik und das kriegstreiberische Nazi-Regime
scharf zu kritisieren, musste zugleich aber berücksichtigen, dass die
zionistischen Organisationen im Reich - wenn auch unter immensen
Einschränkungen - weiter aktiv waren und beispielsweise in
Auswanderungsfragen mit den nationalsozialistischen Stellen kooperieren
mussten (33). Da die Nazis, wie die Vergangenheit
gezeigt hatte, nicht zwischen den Zionisten im Ausland und denjenigen in
Deutschland unterschieden, sondern die einen für die anderen haftbar zu
machen pflegten, schien eine vorsichtige Vorgehensweise opportun. Inhaltlich
sollte die JWR zudem nicht in den Ruf kommen, eine weitere
"Emigrantenzeitung" zu werden, denn seit 1933 hatten sich die Zionisten
vehement von den verschiedenen Exilzeitschriften distanziert, die sie als
"rote Assimilantenpresse" zu denunzieren pflegten (34).
Diese Exil- oder Emigrantenpresse wurde als Bastion des assimilatorischen
Judentums gefürchtet und kritisiert, welches die zionistische Lösung der
Judenfrage, also die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina,
ablehnte und für die Eingliederung der Juden in der Diaspora eintrat.
Dementsprechend sensibel wurde deshalb auch dieser Punkt
in dem schon erwähnten Memorandum behandelt:
"Eine der Hauptaufgaben der Jüdischen Welt-Rundschau wird die
Auseinandersetzung mit den feindlichen antijüdischen Mächten in der Welt
sein. Die Jüdische Welt-Rundschau wird im Gegensatz zur Berliner Jüdischen
Rundschau offen und klar sprechen können und wird die jüdische Position
gegenüber den Verunglimpfungen der antisemitischen Weltpropaganda klar und
scharf herausstellen. Sie wird in würdiger, aber entschiedener Form den
Kampf gegen den Nationalsozialismus führen und den Versuch machen, auch bei
ausserjüdischen Faktoren gehört zu werden." (35)
Ohne sich ganz von der ursprünglichen zionistischen
Analyse des Antisemitismus zu verabschieden, dass dieser "eine normale,
beinahe rationale Reaktion der Nichtjuden auf einen nicht-normalen und
perversen Zustand des jüdischen Volkes in der Diaspora" (36)
sei, revidierten die Herausgeber der JWR ihre politische Position insofern
neu, als sie sich, wenn auch mit Vorbehalten, in die weltweit entwickelnde
Anti-Nazi Bewegung einreihten.
In den ersten Ausgaben der JWR bleibt die Kritik an den
Nazis allerdings auffällig zurückhaltend, J. Klinow bemängelte in einem
Brief an den Herausgeber der Haaretz Salman Schocken sogar ausdrücklich,
dass "die erste Nummer kein einziges Wort gegen Nazi-Deutschland enthält"
(37). Auch der Chefredakteur der JWR, Robert Weltsch,
stellte später fest:
"Die Nummer ist nach meiner Meinung sehr harmlos; ich
nehme an, Ihr könnt nach Berlin sagen lassen, daß man im Fall von
Vorhaltungen ruhig sagt, unsere Zeitung sei zionistisch und kein
'Emigrantenblatt' und wird nicht Deutschland angreifen, wenn es auch
natürlich nicht dem Nazi-Antisemitismus zustimmen kann, was man von der JR
in Berlin auch nicht erwartet hat". (38)
Letzte Planungen
Im Februar 1939 waren die Planungen für die Herausgabe der
JWR dann abgeschlossen. Gemeinsam mit ehemaligen Vertretern der ZVfD, der
deutschen Abteilung der Jewish Agency der zionistischen Exekutive und der
Hitachduth Olej Germania war ein Herausgeberkomitee geschaffen worden, das
die deutschen Zionisten in Palästina repräsentieren sollte. Siegmund
Kaznelson, in Deutschland war er Verleger des "Jüdischen Verlages", übernahm
die Administration der JWR. Er und Gustav Krojanker garantierten das
finanzielle Gelingen des Projektes mit persönlichen Einlagen und fast alle
namhaften Zionisten aus Deutschland in Palästina unterstützten die JWR. Eine
Mitarbeiterin der JR, Betty Frankenheimer, hatte nach ihrer Flucht aus
Deutschland die Auslandsabonnentenkartei der Zeitung nach Palästina retten
können, so dass ein Verteiler von ca. 11000 Adressen existierte, an die die
JWR geschickt werden konnte. Zuvor hatte die HOG schon drei Ausgaben des MB
an diese Abonnenten versandt und ein positives Echo erhalten
(39).
Die JWR konnte auch auf das Korrespondentennetz der
"Jüdischen Rundschau" zurückgreifen, dass von Shanghai über alle
europäischen Hauptstädte bis nach Lateinamerika reichte. Der offene
Charakter der JWR regte zur Mitarbeit an, Manuskripte wurden der Redaktion
aus allen Teilen der Welt zugeschickt, so dass die JWR den kosmopolitischen
Charakter der JR noch ausbauen und die Leser selbst über die Lage der Juden
in Swaziland informiert wurden konnte.
So war es auch der ehemalige JR-Korrespondent, Erwin
Kaskeline, der in Paris eine Druckerei auftrieb, die sich bereit erklärte
die Matritzen der Zeitung, die Mittwochs abends per Flugzeug aus Jerusalem
gebracht wurden, über Nacht zu drucken, so dass die JWR am nächsten Morgen
postalisch in alle Welt verteilt werden konnte. Paris wurde auch deshalb als
Druckort gewählt, um die JWR offiziell zu einer nicht in Palästina, sondern
im Ausland produzierten Zeitung zu machen. Zwar sollte das Mitteilungsblatt
der HOGOA, dessen Erscheinungsbild identisch mit der JWR werden sollte, in
Tel Aviv gedruckt werden, allerdings versprachen die Herausgeber das
"Mitteilungsblatt" auch weiter nur an Abonnenten zu verschicken und nicht
frei zu verkaufen, so die Abmachungen mit der zionistischen Exekutive
(40).
Der Streit um die "Jüdische Welt-Rundschau"
Kaum war die erste Ausgabe der JWR auf dem Markt, brach in
Palästina ein heftiger Streit um die Zeitung aus, der zugleich zu einer
Auseinandersetzung um die Rolle der deutschen Einwanderer in Palästina wurde
und in dem die tiefgehenden Differenzen zwischen mitteleuropäischen Juden
und ostjüdisch geprägten Jischuw zum Ausdruck kamen.
Ungeklärt ist, ob, es wie später die Herausgeber
erklärten, ein Versehen war, dass die in Palästina vertriebene Ausgabe des
"Mitteilungsblattes" als JWR in den palästinensischen Zeitungskiosken doch
zum freien Verkauf auslag, oder ob, wie die hebräische Presse behauptete,
dies von Anfang an – gegen die Absprache mit der zionistischen Exekutive –
geplant war. Die führenden hebräischen Zeitungen "Haaretz", "Haboker" und
"Hamaschkif" verurteilten das Erscheinen der JWR aufs schärfste,
Gewerkschaften und andere zionistische Organisationen sprachen sich
öffentlich gegen die Herausgabe der Zeitung aus. Auch ein "Rat zur
Bekämpfung der deutschen Presse in Jerusalem" formierte sich und es soll
sogar zu öffentlichen Verbrennungen der JWR gekommen sein
(41). Aufrufe zum Boykott der Zeitung folgten: "Kioske, die die
Juedische Weltrundschau oder das Mitteilungsblatt der H. O. G. verkaufen,
werden von hebraeischen Tageszeitungen nicht mehr beliefert."
(42) Am 26. März fand schließlich eine zentrale Protestveranstaltung in
Jerusalem statt, bei der unter anderem die HOG ultimativ aufgefordert wurde,
die Herausgabe der Zeitung binnen einer Frist von 48 Stunden einzustellen,
sonst würden schärfere Maßnahmen ergriffen. (43) Anlass
der Empörung war die Verschmelzung von "Mitteilungsblatt" und JWR, da so
angeblich eine deutsche Zeitung in Palästina entstünde. In einem Brief an
Weltsch hieß es entsprechend: "Höre auf, eine Zeitung in deutscher Sprache
herauszugeben, weil hebräisch die Sprache im Lande ist."
(44)
Dem wachsenden Druck auf JWR und HOG, dem sich auch Teile
der deutschen Juden anschlossen, wurde schließlich nachgegeben. In zwei
getrennten Erklärungen, die in der Folgeausgabe der JWR und dem MB
erschienen, rechtfertigten Herausgeber der JWR und die HOG zwar das
ursprüngliche Konzept ihres Projektes, gingen aber auf die Forderungen der
"Hebraisten" ein: Künftig würden JWR und MB getrennte Publikationsorgane
sein, die JWR werde alleinig über Paris als Auslandspresse vertrieben und
das MB wieder - wie bisher - als internes zweiwöchentliches Vereinszirkular
verbreitet werden.
In ihren Erklärungen verwehrten sich die HOG und Robert
Weltsch für die JWR allerdings gegen die erhobenen Anschuldigungen und übten
ihrerseits Kritik an der Verlaufsform des Konfliktes. Es gäbe, erklärten
sie, schließlich seit Jahren unzählige jiddische und englische, in Palästina
gedruckte Zeitschriften, gegen die sich die öffentliche Empörung keineswegs
richte. Nur die Verwendung der deutschen Sprache errege regelmäßig die
Gemüter, obwohl gerade die deutsche Aliyah sich besonders intensiv um die
Eingliederung der Einwanderer bemühe. Die Opposition gegen die JWR wirke
sich zudem kontraproduktiv auf die gesamte zionistische Politik aus und
isoliere die Betreffenden nur noch mehr: "Heute leben Tausende von Juden
völlig neben dem Jischuw her, ohne jede Verbindung mit dem Leben des Landes.
Früher hatten auch diese Schichten die Möglichkeit die zionistische
Presse Mitteleuropas zu lesen." (45)
Das Fehlen deutscher zionistischer Zeitungen, die eine
wichtige Erziehungsfunktion erfüllen würden, verstärke im Gegenteil die
Gefahr einer "neuen Assimilation", da die des Hebräischen (noch) unkundigen
Einwanderer in Palästina sich in deutsche Sprachinseln zurückzögen und die
Flüchtlinge in anderen Ländern den Kontakt zum Zionismus verlieren würden.
Besonders betroffen seien jene Juden, die vor der Machtübergabe unpolitisch
oder nicht-zionistisch eingestellt gewesen seien. Diese Menschen drohten für
den Zionismus, befürchtete die HOGOA, "vollständig verloren (zu) gehen, weil
keine Organisation imstande ist, sie dauernd zu betreuen. Eine Zeitung ist
das einzige Mittel, mit diesen Menschen in Verbindung zu bleiben und den
Kampf gegen die Geographie und die völlige Zersplitterung im Sinne des
jüdischen Volksgedankens zu führen. (...) Überdies sind die Immigranten aus
den mitteleuropäischen Ländern heute überall einer starken antizionistischen
und antipalästinensischen Beeinflussung ausgesetzt. Die Bemühungen um
jüdische Assimilation, die nach 1933 in Deutschland aussichtslos waren,
treten heute in verstärktem Masse in Erscheinung. Während wir schweigen,
wächst der Einfluss anderer jüdischer Gruppen auf die jüdischen Auswanderer.
Wir sind der Überzeugung, dass nach dem Zusammenbruch der
jüdischen Zentren im deutschen Sprachengebiet und der gewaltsamen Auflösung
der zionistischen Organisationen in Deutschland-Österreich, der Mittelpunkt
für ein solches zionistisches Organ nur in Palästina liegen kann. (…) Aus
diesem Grunde haben wir die Herausgabe einer neuen Zeitung, die an die
Stelle unserer vernichteten zionistischen Presse tritt, mit aller Kraft
gefördert und freuen uns, dass die Jüdische Welt-Rundschau eine Realität
geworden ist." (46)
Vor dem Hintergrund der Argumentation der HOG und der
Notlage des deutschen Judentums stellt sich die Frage, warum große Teile des
Jishuw derart aggressiv auf das Erscheinen der JWR reagierten. Schon damals
wurde die Vermutung laut, dass es den hebräischen Zeitungen auch um ihr
Monopol auf dem Anzeigenmarkt ging, die in einer professionell aufgemachten
deutschsprachigen Zeitung eine nennenswerte Konkurrenz fürchteten
(47). Wie der israelische Historiker Joav Gelber zudem
ausführte, war die ostjüdisch geprägte Mehrheit des Jischuw seit längerem
aufgebracht über "die Anhänglichkeit der deutschen Einwanderer an deutsche
Sprache und Kultur (…). Sie verletzten den Nationalstolz und behinderten den
Versuch einer Wiederbelebung der hebräischen Sprache." (48)
Ein weiterer wichtigerer Auslöser der Kampagne dürfte aber
vor allem der Versuch gewesen sein, den Einfluss des so genannten "deutschen
Zionismus" zu schwächen, mit dem sowohl die JWR als auch "Achduth Haam" in
Verbindung gebracht wurden. Mit dem "deutschen Zionismus" verband man eine
liberale, auf Ausgleich mit den Arabern gerichtete Strömung, die sich, vor
allem verkörpert in dem Friedensbund "Brith Schalom", für einen binationalen
Staat einsetzte (49) und zugleich enge Kooperation mit
den Briten forderte. Tom Segev fasst die Differenz zwischen deutschen Juden
– die in Palästina als Jecken bezeichnet wurden – und der Mehrheit des
Jischuw prägnant zusammen: "Im Konflikt zwischen sozialistischem
Kollektivismus und liberalem Individualismus waren die Jecken bei den
Liberalen zu finden. Im Konflikt zwischen den Anforderungen des Landes und
den Rechten des Individuums stellten sich die meisten Jecken auf die Seite
des Individuums. (…). Im Konflikt zwischen Gewalttätigkeit, Militarismus,
Extremismus sowie Feindseligkeit gegenüber den Arabern auf der einen und
Friedensbereitschaft auf der anderen Seite befürworteten die Jecken Toleranz
und Kompromißlösungen." (50) Mitarbeiter und Autoren der
JWR wie Martin Buber, Robert Weltsch, Elias Auerbach und Kurt Blumenfeld
standen sinnbildlich in Palästina diese gemäßigte Haltung, die zunehmend
Ende der dreißiger Jahre auf Kritik stieß. Seit 1936 befanden sich die
Araber Palästinas in offenem Aufstand gegen die britische Mandatsregierung
und die zionistische Einwanderung, der Tag für Tag Tote und Verletzte
forderte und eine schleichende Militarisierung des Jischuw nach sich zog.
So hieß es etwa im Haboker, man begrüße zwar alle Juden
aus Deutschland, wünsche aber nicht, dass die "Meineckestrasse (der Sitz der
Zionistischen Vereinigung für Deutschland, Anm. d. Verf.) mit ihrem
Charakter und ihrer Atmosphäre" nach Palästina verpflanzt werde
(51). Auch der Haaretz Redakteur Klinow mokiert, dass
"eine ideologische Kluft zwischen dem Denken der J. W. R. und dem Denken des
Jishuw besteht." (52)
Die zionistischen Parteien fürchteten zudem, dass, sollte
den deutschen Zionisten die Gründung einer eigenen Partei gelingen, diese
eine ernstzunehmende Konkurrenz um Wählerstimmen und Einfluss werden würde –
die Geschichte der Alijah Chadaschah in den frühen Vierziger Jahren, die
zeitweilig die zweitstärkste Partei in Palästina wurde und das Programm von
Achduth Haam weiterführte, sollte ihnen Recht geben. Der Streit um die JWR
war also auch eine Auseinandersetzung zwischen den ostjüdisch-proletarisch
orientierten Kräften der früheren Aliyoth und den bürgerlich-liberalen
Einwanderern aus Deutschland und Mitteleuropa. Entsprechend kommt auch Hans
Georg Burger zu dem Schluss, dass man in "Welt-Rundschau, MB und HOG (…)
eine neue, ernst zu nehmende Opposition" sich formieren sah und die Debatten
um die JWR "in den gegensätzlichen politischen Einstellungen und der
Verhinderung eines neuen politischen Oppositionsorgans im Jischuw zu sehen"
war, und dass damit die Frage nach einer deutschsprachigen Zeitung in
Palästina nicht Grund, nur Anlass für den Streit war (53).
Auch Robert Weltsch, der wie kaum ein anderer für die
linksliberale Tradition des deutschen Zionismus stand, wusste, dass es um
Grundsätzlicheres ging, als um die Herausgabe einer deutschsprachigen
Zeitschrift. Vermutlich aus diesem Grund versuchte er auf die JWR auf einer
eher formellen Ebene die Angriffe als Missverständnisse zu entkräften. In
einem langen, auch in der hebräischen Presse veröffentlichten Brief, nahm er
Stellung und versuchte die Idee der JWR gegen ihre Kritiker zu verteidigen.
Auch er betonte, dass es sich um keine palästinensische Zeitung handele,
sondern die JWR für die in aller Welt verstreuten deutschen Juden bestimmt
sei, deren einmaliges Schicksal besondere Maßnahmen erfordere: "Wenn Sie ein
sachliches Interesse haben, so bin ich bereit, Ihnen hunderte Briefe aus
allen Ländern vorzulegen, von deutschen wie auch von anderen Juden, die seit
der Einstellung der jüdischen Presse in Deutschland keine Zeitung mehr
haben. (…) Man kann diese Lage nicht mit der Lage der anderen jüdischen
Gruppen in der Welt vergleichen. Es gibt z. B. eine grosse und verbreitete
jiddische Presse, die in Polen, Amerika und anderen Ländern erscheint, und
manche sagen sogar, dass diese Zeitungen auch in Palästina in tausenden
Exemplaren verkauft werden. Die deutsch sprechenden Juden aber haben kein
Zentrum mehr und keine Zeitung, es besteht keine Verbindung zwischen ihnen
und den jüdischen Zentren.
Die Menschen, welche die 'Jüdische Welt-Rundschau' herausgeben, fühlen sich
der hebräischen Kultur und der jüdischen Wiedergeburt nicht weniger
verbunden als irgendjemand anderer. Aber hinter uns stehen Zehntausende von
Menschen, die nicht hebräisch verstehen. Das ist unsere Wirklichkeit. Ich
bin überzeugt, dass in dieser Situation es keine wichtigere Aufgabe gibt,
als zwischen diesen Menschen und dem hebräischen Palästina zu vermitteln."
(54)
Nach diesen Erklärungen und der folgenden formellen
Trennung zwischen JWR und HOGOA ebbte die Kritik an der JWR ab, obwohl sie
bis zum Ausbruch des Krieges nie ganz verstummte. Für das Projekt einer
"Welt-Rundschau" aber bedeutete die Trennung, also der reine Vertrieb der
Zeitung über Paris ohne das MB, als in Palästina gedruckte "Lokalzeitung",
einen Rückschlag, den Felix Schneebalg, nicht ohne Häme, in einem Brief an
Schocken beschrieb: "Damit (wird) ihr Inhalt weitestgehend inaktuell sein
und auch die Anzeigenaussichten (werden) noch verschlechtert"
(55).
Im April 1939 gründete der "Freundeskreis der Jüdischen
Welt-Rundschau" die "Jewish Newspaper Ltd.", wobei Gustav Krojanker and
Katznelson 40% des Kapitals als Privateinlage von 1 500 £ garantierten
(56). Die Zusammenarbeit mit der HOGOA wurde offiziell
beendet, die JWR nicht mehr automatisch an die Abonnenten des MB versandt,
auch wenn eine inoffizielle Zusammenarbeit bestehen blieb.
Trotz finanzieller Einbußen durch die Neuregelung gelang
es, die JWR bis zum Ausbruch des 2. Weltkrieges in unveränderter Form
herauszugeben. Wie erhofft entwickelte sie sich in diesen wenigen Monaten zu
einem zionistischen Medium, dass nicht nur weltweit gelesen wurde, sondern
sowohl bei Zionisten wie Antizionisten auf großen Anklang stieß. Bis zu
ihrem endgültigen Ende im Frühjahr im 1940 stellte die JWR das wohl
wichtigste Organ des deutschen Zionismus dar.
Ein Versuch sich "in den Stürmen dieser Zeit zu bewahren
und zu orientieren" (57)
Im Rahmen dieses Aufsatzes ist es mir leider nicht
möglich, die verschiedenen Aufsätze, Essays und Kommentare in der JWR zur
Politik und Kultur in Palästina eingehender vorzustellen, obwohl sie es mehr
als verdient hätten. Ob Martin Bubers "Ende der Deutsch-Jüdischen Symbiose",
die Berichte vom 21. Zionistenkongress in Genf, die Debatten über Rolle und
Gefahr eines neuen jüdischen Nationalismus in Palästina (58),
die Aufrufe zur Verständigung mit den Arabern oder die Analysen des
antisemitischen Rassismus – sie alle müssten im Detail vorgestellt werden.
Auch eine Untersuchung der Wandlungen innerhalb der deutsch-zionistischen
Analyse des Antisemitismus und der zionistischen Strategie gegenüber Briten
und Arabern anhand dieser Zeitung steht noch aus.
Die JWR bemühte sich, unterstützt von namhaften Zionisten
und Nichtzionisten aus Deutschland, Forum für diese Auseinandersetzungen zu
sein und gleichzeitig die sich überschlagenden weltpolitischen Entwicklungen
zu analysieren, zu kommentieren und, wo möglich, Partei zu ergreifen: In der
kurzen Zeit ihres Bestehens, in denen sie über Paris vertreiben wurde,
marschierten die Deutschen in Prag ein, wurde der Hitler-Stalin Pakt
abgeschlossen, fand der 21. Zionistenkongress statt und wurde die jüdische
Einwanderung nach Palästina von der britischen Mandatsregierung de facto
verboten – während Tag für Tag Schiffe mit so genannten illegalen
Einwanderern an Palästinas Küsten landeten oder von der englischen Marine
aufgebracht wurden.
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges musste auch die
JWR in ihrer bisherigen Form eingestellt werden. Erst im Dezember 1939
erschien sie wieder, gesetzt und gedruckt in Palästina und von dort in
einige Länder verschickt. Der Einmarsch Nazideutschlands in Frankreich,
Belgien und Holland beendete im Mai 1940 endgültig das Erscheinen der JWR.
Mit dem Ausbruch des Weltkrieges waren MB und JWR de facto
wieder zusammengelegt worden, ohne dass es eine neuerliche
Auseinandersetzung mit dem Jischuw gegeben hätte. Am 13. 11. hatten die
Mitglieder des "Freundeskreises" beschlossen, die JWR auch offiziell von der
HOGOA herausgeben zu lassen (59). Nach Einstellung der
JWR 1940 gingen alle Rechte am Namen der Zeitung an die HOGOA über, die
ihrerseits erklärte, "nach Maßgabe ihrer Kräfte dafür Sorge zu tragen, dass,
falls, die JWR in Palästina wieder erscheinen kann, nicht in Deutschland
oder einem anderen Land ein Organ erscheint, dass unter Ausnutzung dieses
Titels der JR oder JWR die Fortführung einer alten Tradition prätendiert."
(60)
Die Jüdische Welt-Rundschau sollte nie wieder erschienen.
Ab Sommer 1940 entwickelte sich das "Mitteilungsbaltt" jedoch - unter
tätiger Mithilfe von Robert Weltsch und anderen Mitarbeitern der JWR - zu
einer wöchentlich in Palästina erscheinenden deutschsprachigen zionistischen
Zeitung, die zumindest für die deutschen Juden in Palästina die Funktion
übernahm, die ursprünglich die JWR hätte übernehmen sollen. Das MB wurde,
solange dies möglich war, auch an Abonnenten ins Ausland verschickt und
diente der Partei "Alija Chadaschah" bald als publizistisches Organ, das im
Palästina der 40er Jahre die Traditionen des deutschen Zionismus fortführte.
Zeitgleich entwickelte sich in den USA der "Aufbau" von einer kleinen
Emigrantenzeitung zu dem wichtigsten Organ des deutsch-jüdischen Exils und
führte den pro-zionistischen und antifaschistischen politischen Kurs der JWR
auf seine Weise fort.
Anmerkungen:
(1) Zugleich änderte sich ihre Bedeutung; die "Jüdische
Rundschau", zuvor eher Vereinzirkular der "Zionistischen Vereinigung für
Deutschland" mit einer Auflage von weniger als 10000 Exemplaren entwickelte
erhöhlte ihre Auflage auf bis zu 37000 Stück.
(2) Vgl. hierzu vor allem Herbert Freeden: Die jüdische
Presse im Dritten Reich, Frankfurt/ M 1987.
(3) Am ehesten trifft für sie zu, dass, wie Joachim Schlör
treffend beobachtete, "die Forschungen zum Schicksal der deutschen Juden,
die sich durch Auswanderung nach Palästina retten konnten, sich einerseits
auf das Schicksal der Juden in Deutschland oder in anderen europäischen
Ländern bis zur Auswanderung, andererseits auf das Leben nach der Ankunft in
Palästina konzentrieren; 'was aber fehlt (...) ist das Dazwischen.' daran
mag es auch liegen, dass bislang kaum Untersuchungen über die JWR
vorliegen." Joachim Schlör; Triest in Palästina in Triest; Nachwort in:
Giorgio Voghera; Meine Heimat ist die ganze Welt, Überleben im Kibbuz 1938 -
1948, Gerlingen 1997. S. 234.
(4) Jüdische Welt-Rundschau, Revue du Monde Juif,
Jerusalem und Paris, Jg. 1 Nr. 7 v. 21. 4. 1939, S. 1.
(5) JWR Nr. 1, I Jg. v. 7. 3. 1939. S. 1.
(6) Vielmehr signalisierte „das erwartungsgemäße Scheitern
der Evian-Konferenz der deutschen Regierung, daß eine Radikalisierung der
Ausweisung von Juden aus Deutschland keine heftigen Reaktionen hervorrufen
würde." Moshe Zimmermann: Die deutschen Juden 1914-1945 (Enzyklopädie
deutscher Geschichte Bd. 43), München 1997. S. 59.
(7) Erklärung des Foreign Office, zit. nach Saul
Friedländer, das Dritte Reich und die Juden, Die Jahre der Verfolgung
1933-1939. München 1998. S. 322.
(8) Robert Weltsch: Tragt ihn mit Stolz den gelben Fleck;
Zur Lage der Juden in Deutschland 1933, Berlin 1933.
(9) In JWR Nr. 22 1. Jg. v. 11. 8. 1939, S. 2.
(10) Hans Albert Walter: Deutsche Exilliteratur 1933- 45,
Deutsche Exilpresse Band 2, Darmstadt/ Neuwied 1972-74. S. 577 f.
(11) ebd.
(12) Denkschrift von Rabbiner Dr. Max Nussbaum,
geschrieben für Mr. Morgenthau oder Stephan Wise sofort nach seiner
Einwanderung in die USA (August 1940), Yad Vashem Archives Jerusalem. 01/
232. S. 15.
(13) Mitteilungsblatt der Hitachduth Olej Germania (MB),
November (I) 1938. S. 1.
(14) Jüdische Welt-Rundschau, Nr. 1, I Jg. v. 7. 3. 1939.
S. 1.
(15) Erich Gottgetreu, 1903-1981, in der Weimarer
Republik SPD-Reichtagsabgeordneter und Zionist, emigrierte 1934 nach
Palästina. Rege publizistische Tätigkeit in verschiedenen zionistischen
Zeitungen und der Exilpresse. Buchveröffentlichungen u. a.: Das Land der
Söhne; Palästina nahe gerückt, Wien 1934.
(16) "Seit einigen Wochen erscheint in Eretz-Israel unter
dem Namen 'Orient-Express' eine Tageszeitung in deutscher Sprache. (…) Der
Merkas der Hitachduth Olej Germania erhebt daher vor dem gesamten Jischuw
öffentlichen Protest gegen dieses Unternehmen und fordert von allen
Einwanderern aus Deutschland, dass sie in keiner Weise das Erscheinen oder
die Verbreitung einer solchen Zeitung unterstützen." MB Juli (1) 1935 S. 6.
(17) MB, Mai (II) 1935, S. 3.
(18) Die hektographierten Nachrichtenblätter stellten
eine faktische Konkurrenz für die Anzeigenabteilung „Jüdische Rundschau“
dar, deren Anzeigen aus Palästina kontinuierlich stiegen und wichtige
Einnahmequelle waren.
(19) So hatte die Redaktion der "Jüdischen Rundschau"
folgendes Schreiben an das "Reichsministerium für Propaganda und
Volksaufklärung" am 27. 7. 38 geschickt: "Es ist beabsichtigt, eine
juristische Person (G.m.b.H) in Palästina zu schaffen, die treuhänderisch
die Durchführung des Druckes und der Verteilung in Palästina übernimmt.
Diese Körperschaft würde aus den uns nahe stehenden Zionisten aus
Deutschland bestehen, die jetzt in Palästina sind. (...) Nach dem heutigen
Stande ist es unmöglich, für die Hauptausgabe der 'Jüdischen Rundschau', die
ja nur zu einem Teil nach Palästina geht, palästinensische lokale Inserate
zu erhalten, da die Preise in Goldmark viel zu hoch sind. Dagegen sind die
Aussichten des Inseratengeschäfts für eine solche Sonderbeilage
ausgesprochen günstig, wie schon daraus hervorgeht, dass die zahlreichen
hektographierten Mitteilungsblätter in deutscher Sprache, die in Palästina
eine ernsthafte Konkurrenz für die 'Jüdische Rundschau' darstellen, sämtlich
ziemlich viele palästinensische Inserate haben."
Es ist ferner beabsichtigt, in dieser Sonderbeilage etwa Mitteilungen der
'Vereinigung der Einwanderer aus Deutschland' ('Hitachduth Olej
Germania')... unterzubringen. (...)" . Central Zionist Archives, Jerusalem
(CZA) A 376-65.
(20) Bruno Kirscher 1884 – 1964, in den zwanziger Jahren
Herausgeber der Zeitung zionistischen Zeitung "Der jüdische Student".
Mitbegründer des Leon Baeck Institutes, emigrierte 1937 nach Palästina.
(21) Brief v. Bruno Kirschner an Robert Weltsch v. 11. 8.
1938. CZA a 167-49.
(22) Erich Liepmann: "Das Dritte Reich und die Juden.
Versuch einer Analyse nach sieben Jahren", Jerusalem 1939, S. 32. Yad Vashem
Archiv 01/135.
(23) Robert Weltsch an Martin Rosenblüth v. 20. 12. 1938.
CZA A 376-65 (Akte Siegfried Moses)
(24) Joav Gelber: Deutsche Juden im politischen Leben des
jüdischen Palästina 1933-1948, in: Bulletin des Leo Baeck Instituts 76/
1987. S. 59.
(25) Georg Landauer, zit. nach Tom Segev, Die siebte
Million; Der Holocaust und Israels Politik der Erinnerung, Reinbeck bei
Hamburg 1995. S. 91.
(26) Brief v. Robert Weltsch an Siegfried Moses v. 11.
12. 38. CZA, A 376-65.
(27) Erklärung des Freundeskreises der JWR, ohne Datum,
CZA A 376-65.
(28) ebd.
(29) Memorandum v. Februar 1939. CZA 167-44. S. 2.
(30) ebd.. Die einzige deutschsprachige zionistische
Zeitung für diese neue Diaspora, die von Manfred George, dem späteren
Herausgeber des "Aufbau", in der CSR herausgegebene "Jüdische Revue" musste
ihr Erscheinen nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten im Sudetenland
einstellen.
(31) ebd.
(32) In einem Brief an Weltsch warnte A. Rau kurz nach
der Reichspogromnacht, durch die mögliche Weiterführung der JR von Jerusalem
aus "sieht man besondere Gefahren für unsere restliche Arbeit in Deutschland
heraufziehen. (…) Die Gefahr wäre kleiner, wenn die neue Zeitung einen
anderen Namen trüge. (…) Für unsere Arbeit in Deutschland wäre es natürlich
auch besser, wenn die Zeitung ihre Hauptaufgabe nicht darin sähe, das Regime
in Deutschland zu 'bekämpfen'." Brief A. Rau an Robert Weltsch v. 15. 12.
1938. CZA A 3765-65. In diesem Zusammenhang wurde sogar kurz überlegt, ob es
eine Möglichkeit gäbe, die Zeitung auch in Deutschland zu verbreiten. Diese
Idee wurde allerdings umgehend fallen gelassen.
(33) Carsten Teichert: Chasak!; Zionismus im
nationalsozialistischen Deutschland 1933-1938, Köln 2000. S. 476.
(34) Kurt Blumenfeld in einem Brief an Siegfried Moses
(Datum). CZA A 367-65. Vgl. etwa den Aufsatz von Jan Kroker, der später auch
Autor der JWR wurde, in dem dieser gegen das Exil und seine Presse heftig
aus zionistischer Sicht polemisierte. Jan Kroker: Emigranten Literatur, in:
Selbstwehr; Jüdisches Volksblatt, Prag, 27. Jg., Nr. 47 v. 17. November
1933. S. 1 f..
(35) Memorandum a. a. O.
(36) Yigal Elam, zit. nach Mario Offenburg, Überlegungen
zu Politik und Geschichte des Antisemitismus in Deutschland, Berlin (W)
1979. S. 3 Vgl. hierzu auch Robert Weltsch in einem Aufsatz von 1932
"Judenfrage und Zionismus": "Der Zionismus sieht den Grund der Judenfrage in
der abnormalen Lage des jüdischen Volkes. Alle anderen Erscheinungen, auch
der Antisemitismus sind nur Symptome der Judenfrage und nicht ihr Wesen."
in: Robert Weltsch, An der Wende des modernen Judentums, Tübingen 1972. S.
13.
(37) Brief J. Klinow an Salman Schocken v. 12. 3. 1939.
CZA, A 376-65.
(38) Brief v. Robert Weltsch an Gustav Landauer v. 9. 3.
39, CZA A 376-65.
(39) Hans Georg Burger: Die Auseinandersetzung um die
‚Jüdische Welt-Rundschau’ – Robert Weltsch zum 80. Geburtstag gewidmet. In:
Emuna – Horizonte, VI Jg. Nr. 5 v. Oktober 1971. S. 321.
(40) Siehe "Blumenthals Neueste Nachrichten", Vol III, No
617 v. 17. 3. 1939. S. 22.
(41) Hans Georg Burger a. a. O., S. 325
(42) Dr. Felix Schneebalg an S. Schocken v. 12. 3. 1939.
CZA, A 376-65.
(43) ebd.
(44) CZA, J 1/ 3992
(45) "Erklärung der Hitachduth Olej Germania we Olej
Austria in Angelegenheit der 'Jüdischen Welt-Rundschau' und des
Mitteilungsblattes" in: Mitteilungsblatt (MB) der HOGOA No. 13 v. 24. 3. 39
(46) ebd.
(47) Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass
sich die hektographierten deutschen Nachrichtenblätter, wie das "Press
Echo", aus diesem Grund gegen die JWR aussprachen. Vgl. Press-Echo. 3 Jg.,
Nr. 14 v. 7. 4. 1939.
(48) Joav Gelber a. a. O., S. 61
(49) "Es bleibt die These, dass durch eine
jüdisch-arabische Verständigung die Teilung Palästinas vermieden werden
könnte" erklärte etwa Achduth Haam in einem ihrer ersten Manifeste. "Achduth
Haam", Veröffentlichung der Partei 'Achudth Haam' (Übersetzung aus dem
Hebräischen, Einmalige Ausgabe) Auslandsausgabe, Juli 1938. S. 6. In der
gleichen Ausgabe wird auch mit dem Revisionismus hart ins Gericht gegangen.
S. 26-30. Auch Joav Gelber kommt zu dem Schluss, dass sich Achduth Haam
zunehmend an die Brith Schalom Gruppe und Judah L. Magnes annäherte. Gelber,
Joav: Deutsche Juden im politischen Leben des jüdischen Palästina 1933-1948,
in: Bulletin des Leo Baeck Instituts 76/ 1987. S. 57.
(50) Tom Segev, a. a. O. S. 90.
(51) Brief von Felix Schneebalg an Salmann Schocken 12.
3. 39. CZA A 376-65.
(52) Brief v. J. Klinow an S. Schocken v. 12. 3. 39. CZA
A 376-65 .
(53) Hans Georg Burger a. a. O. S. 330.
(54) Abgedruckt in MB, Nr. 13 1939 a. a. O. S. 1 f..
(55) Brief Felix Schneebalg an Salman Schocken. a. a. O..
(56) So entschieden auf einer Versammlung am 19. 4. 39,
siehe "Protokoll", CZA A 376-65.
(57) JWR Nr. 2, 1 Jg. v. 17. März 1939. S. 3.
(58) Diese Debatte gipfelte darin, dass ein Tristan
Leander, der sie mit seinen „Bekenntnissen eines Ex-Assimilanten“ begonnen
hatte sich dagegen verwehrte „uns Flüchtlingen, die endlich dem Rauschen der
nordischen Rune im deutschen Eichenwald entronnen sind, das analoge Rauschen
in unseren künftigen Keren-Kajemeth-Wäldern offerieren zu wollen; die aus
der braunen Hölle gutgläubig und gläubig in das vielgelobte Nationalheim
Entflohenen hier unter einer missverstandenen Kulturkampfparole für
Jahrzehnte vom kulturellen und geistigen Leben der Nation auszuschließen;
ihnen hier eine, nur äusserlich ins Hebräisch übersetzte, rein ostjüdische
Kultur vorzusetzen, gewürzt mit einem von den schlechtesten deutschen
Vorbildern bezogenen Strassentafelnationalismus.“ JWR Nr. 20, 1 Jg. v. 28.
Juli 1939. S. 6 f..
(59) "Betrifft: Herausgabe der ‚Juedischen Weltrundschau’
durch die Hitachduth Olei Germania". CZA A 376 -65. S. 1
(60) Protokoll, Sommer 1941. CZA 376-65. S. 3.
Kesher, No. 31, May 2002
Bestellen?
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